Göttinger Symphonieorchester | © Mirko Plha

Göttingen

Göttinger Symphonieorchester präsentiert Festival:
Neue Horizonte mit zeitgenössischer Musik
21. - 29.6.2024

Wer Neue Musik entdecken möchte, sollte diesen Sommer nach Göttingen schauen. Das Göttinger Symphonieorchester präsentiert vom 21. bis 29. Juni 2024 das Festival „horizonte“, das den Konzertsaal verlässt und in Wohnzimmer, Gärten und WG-Zimmer geht. Ein innovatives Programm aus Orchesterkonzert, Kammermusik und Installation im öffentlichen Raum eröffnet neue Horizonte.

Komponist:innen und Dirigentin des horizonte Festivals. V.l.n.r.: Shadi Kassaee, Eloain Lovis Hübner, Friederike Scheunchen, Lucia Kilger, Dmitri Remesov und Marta Kowalczuk | © Louise Engel

Göttingen – ein Name, der Bilder weckt: das Gänseliesel, die Göttinger Sieben, die ehrwürdige Georg-August-Universität oder die pulsierende politische Zivilgesellschaft. Diesen Sommer erweckt das Göttinger Symphonie Orchester (GSO) diese Bilder zum Leben. Mit dem Festival „horizonte“ taucht es in die Welt der Neuen Musik ein und verbindet sich mit der lebendigen Subkultur der Stadt.

Fünf Jahre lang haben die Musiker:innen aus Göttingen ihre Spielstätte umgebaut. Jetzt erstrahlt sie nicht nur äußerlich in neuem Glanz, sondern auch innerlich. Beethoven, Brahms und Tschaikowsky – ihre Notenblätter sind meist mit diesen Namen bedruckt, wie in den meisten Symphonieorchestern. Doch während andere Musikinstitutionen im Sommer die altbekannten Klassik-Hits hervorholen, geht das GSO einen anderen Weg. Sie wagen sich an Neues, experimentieren und überraschen ihr Publikum. Sie erneuern sich, sie wachsen, sie entwickeln sich weiter.

Lokhalle © Mirko Plha

„Zeitgenössische Musik ermöglicht Experimente, und wir wollen unsere eigenen Ohren und die des Publikums öffnen“, erklärt Geschäftsführerin Franziska Vivaldi. Dafür hat sie sich mit ihrem Team unterschiedliche Formate ausgedacht: In Wohnzimmern, Gärten, WG-Zimmern oder Scheunen entsteht die zeitgenössische Version eines musikalischen Salons. Eine Schulklasse komponiert zusammen mit den professionellen Musiker:innen ein neues Werk. Kammerkonzerte werden mit kulturpolitischen Debatten, wissenschaftlichen Vorträgen und elektronischer Tanzmusik kombiniert. Dazu schafft das Festival Verbindungen in der Kulturszene, wie die Zusammenarbeit mit dem Universitätschor bei Claude Debussys „Nocturnes“. Aber auch treue Fans des GSO finden im Festivalprogramm vertraute Elemente, wie ein Orchesterkonzert in der Lokhalle, einer beliebten Spielstätte des Orchesters.

Forum Wissen © Universität Göttingen, Anna Greger

Sieben Stipendien bilden das Herzstück und den Antrieb des Festivals. Fünf sind für Uraufführungen, zwei für Kompositionspädagogik. Lucia Kilger und Dmitri Remesov komponieren für Sinfonieorchester. Eloain Lovis Hübner gestaltet eine Installation im öffentlichen Raum. Shadi Kassaee und Marta Kowalczuk widmen sich der Kammermusik. Anne Bischof und Felipe Egaña Labrin werden Konzepte in Kompositionspädagogik entwerfen. Ein Expertenkomitee, bestehend aus Kompositionsprofessoren, Kuratoren der freien Szene und der künstlerischen Leitung des Festivals, wählte diese Stipendiaten aus. Ergänzt werden die Uraufführungen mit selten gespielten Werken des 20. und 21. Jahrhunderts von Komponisten wie Kristine Tjøgersen oder Vito Žuraj. Dies ist Nachwuchsförderung par excellence. Die Stipendiaten sind keine Neulinge in der Neuen-Musik-Szene. Lucia Kilger, Professorin an der Detmolder Musikhochschule, hat bereits für das Ensemble Recherche und das ensemble mosaik komponiert. Eloain Lovis Hübner, Gewinner des Deutschen Musikautor:innenpreises 2022 in der Kategorie „Nach- wuchs“, wird die Innenstadt von Göttingen in eine Musikinstallation verwandeln und den Klangraum der Stadt zum Leben erwecken.

Das Festival spricht jeden an, ob Neue-Musik-Enthusiasten oder Neulinge in diesem Genre. „Um zeitgenössische Musik für alle erlebbar zu machen, wollen wir Nähe schaffen und die Menschen dort abholen, wo sie sich befinden“, sagt Louise Engel, die das Projekt leitet und zusammen mit Clemens K. Thomas die Kuration über- nimmt. Thomas möchte gemeinsam mit dem Publikum Erlebnisse kreieren: „Es ist uns wichtig, sowohl das Publikum als auch die Orchestermu- siker:innen bei diesem Entdeckungs- und Entstehungsprozess mitzunehmen. Dann entsteht eine ,Oh, das hat etwas mit mir und meiner Gegenwart zu tun‘-Erfahrung. Oder ein ,Das macht was mit mir, das berührt mich, obwohl ich das noch nie gehört habe‘-Moment. Das begegnet mir nur bei zeitgenössischer Musik.“

Ob die Göttinger daran auch Interesse zeigen werden? Franziska Vivaldi hat keine Angst vor leeren Stühlen: „Das Göttinger Publikum ist sehr neugierig.“ Der erste Lackmustest ist bereits bestanden: Über 60 Göttinger boten ihre Wohnzimmer als Bühne an.